Kategorie:Zwiefach
Hier ist eine alphabetische Übersicht von Zwiefachen angefügt.
Tanzart
Zwiefache sind paarweise Rundtänze, die sich aus (mindestens) zweierlei Schritt- und Taktarten zusammensetzen. Zumeist sind dies Walzer und Dreher.
In selteneren Fällen taucht auch noch Polka auf. Entweder nur im Wechsel mit Drehern (z.B. Weißblau) oder als Driefacher mit Walzer und Dreher (z.B. Saulocker (Elsass), Mischlich, 44 Hühner und ein Hahn).
Verbreitung
Das Hauptverbreitungsgebiet des Zwiefachen ist Ostbayern, vor allem Niederbayern, Holledau, die Oberpfalz und Mittelfranken, er war und ist aber auch im Schwarzwald, in Baden, in der Rheinpfalz, in Österreich, im Elsass und in Tschechien bzw. im Sudetenland bekannt.
Vergleichbare Tänze gibt es auch in Tschechien, wobei manchmal behauptet wird, die tschechischen Zwiefachen stammen von den bayrischen ab. Als Hinweise darauf wird die Benennung vieler tschechischer Zwiefachen als "Bavorak", also Bayrischer" angeführt. In Wikipedia gibt es aber einen Artikel über den tschechischen Furiant. Dort steht auch: "Erstmals wird der Furiant in Daniel Gottlob Türks Klavierschule von 1789 behandelt und dort als „Furie“ bezeichnet".
Zum Namen
Diese Tanzform hatte ursprünglich in verschiedenen Regionen vor verschiedenste Bezeichnungen, wie Schweinauer (Ries), Schleifer, Übernfuaß, Mischlich (tschechisch Dvoják oder Dvoják s trojákem), Grad und Ungrad (Schwaben), Eintreten (Oberpfalz), Neu-Bayerischer und vor allem Bairischer (tschechisch Baworak), was laut Kunz und Schmeller ursprünglich Bäuerischer Tanz bedeutete. Dies führte manchmal zur Verwechslung mit dem Boarischen (Bayrisch-Polka). Im Schwarzwald sind die Bezeichnung Heuberger, Lange, Oberländer, Oberab oder Hippentänze gebräuchlich, im Sudetenland heißen sie Halbdeutsch oder Mischlich. In der nördlichen Oberpfalz wird der Tanz auch Dableckerter oder Tratzerter genannt wegen der für die Tänzer schwierigen Ausführung.
Der Name Zwiefacher ist jedoch derzeit die weit überwiegende Bezeichnung für Rundtanzformen samt zugehöriger Melodie mit Taktwechsel innerhalb der Phrase. Dieser Name taucht schon 1848 bei Kunz auf. Allgemein verbreitet wurde er seit 1927 durch einige Volkstanzleiter, etwa durch Raimund Zoder, um diese beliebten, meist Bairisch benannten Tänze nicht mit dem genauso beliebten Boarisch zu verwechseln.
Es gibt drei Theorien für die Herkunft dieses Namens:
- Das Wort Zwiefach (zuerst dokumentiert 1780) bedeutete ursprünglich das paarweise Tanzen von Rundtänzen, zwei Personen verschiedenen Geschlechts drehen sich eng umschlungen, was in früheren Zeiten aus Sittlichkeitsgründen verpönt war.
- Heute wird meist angenommen, der Name stammt von den zwei Schrittarten (Walzer, Zweischritt) auf, aus denen sich die meisten Zwiefachen zusammensetzen.
- Wahrscheinlicher ist laut Erich Sepp, dass der Name von den verbreitetsten Bairischen mit zwei Melodien stammt. Es gab Einfach-Bairische, die nur aus einer Melodie bestanden, Zwiefach-Bairische wie den Boxhamerisch, den verbreitetsten Bairischen, die eben aus zwei Melodien bestanden, und auch Dreifach-Bairische, die aus drei Melodien bestanden.
- Den Bairischen Wenn der Bauer ins Weinland fährt stellte Wolfgang A. Mayer Ende der 1970er-Jahre bei einem Volkstanzkurs in Bayern vor. Bei diesem Kurs tauchte dann analog zum Namen Zwiefacher die Bezeichnung Driefacher (Trifacher) für Zwiefache mit drei Schrittarten (Walzer, Dreher, Polka) auf, die sich seither eingebürgert hat.
Tanzausführung
Das Paar dreht sich schnell, meist in geschlossener Walzerhaltung, ähnlich dem im Volkstanz überlieferten Walzerrundtanz, selten auch in halboffener Fassung. Drehrichtung ist meist rechts, aber auch Linksdrehung ist bei guten Tänzern möglich.
Das besondere Merkmal dieses Tanzes ist der Wechsel zwischen ungeradem und geradem Takt, also meist zwischen 3/4- und 2/4-Takt, selten auch 4/4-Takt. Der Taktwechsel kann dabei regelmäßig erfolgen - z. B. jeweils zwei Takte in den verschiedenen Rhythmen -, aber auch nur vereinzelt oder unregelmäßig im Stück auftreten.
Schritte
Tänzerisch entspricht dem Wechsel zwischen 3/4- und 2/4-Takt ein Abwechseln zwischen Walzerschritten und Dreherschritten, seltener auch Polkaschritten (Wechselschritten), etwa beim Driefachen, beim Weißblau oder bei den Zwiefachen des Kuhländchens.
- Pro 3/4-Takt wird ein Walzerschritt getanzt mit einer halben Paardrehung, zwei Takte ergeben eine ganze Drehung.
- Pro 2/4-Takt wird ein Dreherschritt getanzt, je nach Gegend mit einer halben oder einer Viertel-Drehung, daher ergeben meist zwei, manchmal vier Takte eine ganze Drehung.
- Pro 4/4-Takt wird ein Polkaschritt oder Schottischschritt getanzt, mit einer halben Drehung, zwei Takte ergeben eine ganze Drehung.
Früher allgemein, bei zu voller Tanzfläche oder bei ungeübten Tänzern ist auch die halbe Drehgeschwindigkeit möglich, also eine Viertel-Drehung pro Walzer- oder Drehertakt.
Das Tempo variiert dabei von MM = 160 bis 192 pro Viertel, üblich ist 180. Bei guten Musikanten werden die Drehertakte etwas rascher gespielt, etwa MM = 184, die Walzertakte unmerklich langsamer, etwa MM = 176.
Notation
Ungewöhnlich ist die musikalische Notation:
- In der überlieferten Notation wurden im geraden Takt die Töne nur mit halber Länge notiert, eine Achtelnote im geraden Takt wird also etwa so lang gespielt wie eine Viertelnote im ungeraden Takt. Diese Notation entspricht dem tänzerischen Blickwinkel und bildet die Verteilung der Schritte ab: pro Viertel wird eine Gewichtsverlagerung ausgeführt bzw. pro Schritt wird eine Viertelnote notiert.
- Derzeit ist beim Zwiefachen die metrische Notation üblich, bei der Noten gleichen Wertes auch gleich lang gespielt werden, was eher der Sicht der Musizierenden entspricht. Melodieteile im ungeraden Takt werden analog zum Walzer im ¾-Takt notiert, Melodie-Teile im geraden Takt im 2/4-Takt. Musikalisch ist diese Notation eigentlich fehlerhaft.
- Eine musikalisch richtigere Notation hat Erich Sepp in: "Zwiefach daneben? Volksmusik in Bayern, Bayrischer Landesverein für Heimatpflege e. V., 32. Jahrgang/2015/Heft 3" vorgestellt und in Schwäbisch-alemannische Zwiefache, für zwei Melodieinstrumente eingerichtet von Erich Seppausführlich und nachvollziehbar begründet. Er schreibt die ungeraden Takte wie bisher im ¾-Takt, die geraden Takte im 2/2- oder auch ½-Takt. Diese Notation hat sich aber noch nicht durchgesetzt.
Texte
Viele Zwiefache sind schwierig zu tanzen. Daher haben sich als Merkhilfe viele (meist sehr einfache) Liedtexte zu den Tanzmelodien verbreitet. Es gibt aber immer wieder auch neue Texte zu den überlieferten Melodien. Etwa schrieb Josef Eberwein zum überlieferten Zuserl-Zwiefachen einen Suserl-Text, in neuer Zeit sang die Gruppe „Bairisch Diatonischer Jodelwahnsinn“ zur gleichen Melodie Hunger kriag i glei, eine McDonald’s-Parodie, Autor Otto Göttler.
In alten Zeiten haben die Tänzer einen Zwiefachen bestellt, indem sie ihn der Musik vorsangen. Konnte die Musik dies nicht nachspielen, wurde sie verspottet. Auch dazu waren die Texte notwendig.
Historisches
In Lautenbüchern aus dem 16. Jahrhundert sind Musikstücke mit Taktwechseln in der Art des Zwiefachen überliefert. Ob dazu auch getanzt wurde, ist nicht bekannt. Da das Besondere beim Zwiefachen die Verbindung Taktwechsel-Schrittwechsel ist, können diese Formen eigentlich noch nicht als Zwiefache bezeichnet werden.
Wenige Archivfunde lassen auf sein Alter schließen. Im Stadtarchiv Amberg liegt eine um 1730 datierte Musikhandschrift, die einen reinrassigen Zwiefachen enthält (Mandora-Tabulatur, Parthia 3tia, Titel Aria).
Der Name selbst taucht 1780 das erste Mal auf: In einem Gerichtsprotokoll des Hofmarkrichters in Wolfersdorf (Hallertau) heißt es: „Diese Tanzart wird unter dem Bauernvolk das ‚zwyfach Danzen‘ genannt“ (Staatsarchiv für Oberbayern, Briefprotokolle Moosburg Nr. 646). Vier Bauernburschen hatten am 12. November 1780 das Tanzverbot missachtet und sich „erfrecht [...], in der hiesigen Wirtstafern am 12. November 1780 unanständig und ärgerlich zu tanzen und die Füße mit den der Weibsbilder ihrigen durcheinander zu schlingen“. Allerdings bedeutete das nur zu zwyen, also paarweise zu tanzen.
Darüber gibt es beim Volkstanzkreis Freising eine interessante Radiosendung des Bayrischen Rundfunks, deren Inhalt allerdings inzwischen teilweise überholt ist, die aber doch nett zum Anhören ist.
Laut Franz Magnus Böhme wurde der Zwiefache in der Oberpfalz und ... von Nürnberg bis Bamberg viel, aber seit 1830 selten getanzt.
Johann Andreas Schmeller spricht im 1837 veröffentlichten Teil 2/2 seines Bayerischen Wörterbuchs vom „Zwifach tanzen, d. h. nach der älteren bayerischen Manier, deren Musikweise im bekannten Volksliede der Nagelschmied nachgeahmt und ausgedrückt ist“ . Offensichtlich meint Schmeller damit aber noch den Paartanz, obwohl er einen auch heute noch bekannten Zwiefachen als Beispiel wählt.
Konrad Max Kunz verwendet 1848 den Begriff ’’Zwiefacher’’ als Erster in seiner heutigen Bedeutung. Er meinte mit diesem Begriff wahrscheinlich aber Stücke, die sich aus zwei Melodien zusammensetzen. Kunz (1812–1875) hatte als Knabe in der Türmerkapelle seines Vaters gespielt, also in den 1820er-Jahren. Er schreibt: Noten gab es keine für diese närrischen Dinger. Musikanten und Tänzer lernen sie eben durch Tradition. Die ältesten Leute sprechen von ihnen als einer Sache, welche sie in ihre Jugend als etwas von jeher Bestehendes vorgefunden, von deren Ursprung sich gar keine Kunde erhalten. Offenbar fällt ihre Entstehung in die Zeit vor Erfindung des Taktstriches. Das wäre also mindestens das 18. Jahrhundert.
Herkunft der Melodien
Auf der Seite Zwiefach-Melodien habe ich eine Diskussionsseite dafür eröffnet.
Beispiele in der Kunstmusik
- Wilfried Hiller, *1941, hat in der Oper „Der Goggolori“ einen Zwiefachen eingebaut. (Eine bairische Mär mit Musik, Uraufführung 3. Februar 1985, Theater am Gärtnerplatz, München, Libretto in bairischer Sprache von Michael Ende.)
- Wolfgang Amadeus Mozart, Sinfonie in g-moll, KV 550: Menuett: der 1. Teil ist ein Zwiefacher.
- John Bull hat um 1600 unter dem Namen In Nomine (Fitzwilliam Virginal Book, Nr. 119, Breitkopf & Härtel-Ausgabe (Leipzig 1899), Bd.2, S. 34-39) eine regelrechte Zwiefachen-Fuge geschrieben. Die ersten 5 Seiten des Stückes stehen im völlig ungewöhnlichen 11/4-Takt (in regelmäßiger Untergliederung 4-4-3), auf der letzten Seite (S.39) wechselt er in einen Taktwechsel 6/4 - 9/4 über. Durch die äußerst komplizierte Satztechnik sind aber diese Taktwechsel kaum zu bemerken. Siehe In Nomine (in 11/4) by John Bull
- Johann Sebastian Bach hat im 4. Brandenburgischen Konzert (BWV 1049, vor 1721) als Thema des 1.Satzes (Allegro) eine Melodie, die eigentlich in einem Taktwechsel 6/4 - 3/2 notiert werden müsste und denselben Rhythmus hat wie einige Zwiefache (z.B. Neun Dörfer). In den gängigen Ausgaben ist der Satz durchgängig im 3/4-Takt notiert, mit Akzenten auf den unregelmäßig betonten Noten. Siehe Brandenburgisches Konzert Nr. 4
- Leonard Bernsteins berühmter Song I like to be in America aus seinem Musical West Side Story (1957) hat denselben Rhythmus und hat auch die Taktangabe (6/4 + 3/2).
Da alle vorherigen Beispiele nicht als Tanzmusik gedacht waren und auch eher nie dazu Zwiefach getanzt wurde, (siehe oben unter Historisches,) gelten diese Beispiele nicht als Zwiefache.
- Carl Orff hat in seiner Vertonung der Carmina Burana einen Tanz als Zwiefachen komponiert.
- Bedřich Smetana hat im zweiten Akt seiner Oper „Die verkaufte Braut“ den Furiant, eine tschechische Variante des Zwiefachen, als Bauerntanz verwendet.
Einige Arten des Zwiefachen
- regelmäßiger Wechsel alle zwei Takte: Beispiel Boxhamerisch („Unser alte Kath“)
- unregelmäßiger Wechsel: Beispiel Riki-Zwiefach von Alfred Gieger
- Driefach (Dreifach) oder Trifach, Wechsel zwischen Walzer, Polka und Dreher: Beispiel Driefach („Ja wann der Bauer“)
- regelmäßiger Wechsel zwischen Walzer, Dreher und Polka im Kuhländchen: Beispiel Mischlich
- Weißblau, Wechsel zwischen Dreher und Polka: Beispiel Weißblau
- steigende Taktanzahl, Beispiel Naglschmied (der früheste Beleg für einen Zwiefachen mit Namen, bei dem die Tanzausführung klar ist)
Hinweise zu den Zwiefachen
Weitere Informationen und etliche der unten stehenden sowie weitere Zwiefache, alle mit Tanzbeschreibung und Hörproben, fanden Sie bisher auf der Seite des Volkstanzkreis Freising. Diese Seite wird allerdings derzeit überarbeitet und ist eigentlich nur als Liste der Tanznamen erreichbar, die alte Seite wurde abgeschaltet.
Auch in Wikipedia steht einiges über den Zwiefachen.
Aenne Goldschmidt hat im Handbuch des Deutschen Volkstanzes auf den Seiten 192-196 etliches über den Zwiefachen geschrieben, mit einigen Beispielen.
Wie spielt man Zwiefache?
Zur Spielweise von Zwiefachen habe ich eine eigene Seite verfasst.
Immaterielles Kulturerbe
Im November 2016 wurde der Zwiefache zum "immateriellen Kulturerbe Bayerns" erklärt. Siehe den Artikel auf volXmusik.de und den Artikel im Bundesweiten Verzeichnis immaterielles Kulturerbe.
Videos
In der Bayrischen Mediathek finden Sie ein Video mit dem Namen Woher kommt der Zwiefache?
Auf YouTube, User Zwiefacher Germany finden Sie aus Israel etliche Videos von getanzten Zwiefachen. Ein Beispiel ist das Wirtshaustürl:
Und auch in den USA wird Zwiefach getanzt, wie unter anderem das folgende Video mit ausführlicher englischer Tanzbeschreibung zeigt. Klicken Sie auf "Zwiefache", dann sehen Sie die Tanzbeschreibung.
Und bei diesem Video aus Seattle werden auch die Schritte für vier Zwiefache erklärt.
Auch das folgende Video ist aus Seattle und zeigt sogar 17 Zwiefache.
Aufzeichnungen von Zwiefachen im Internet
- Sechs Bairische aus der Oberpfalz, Dr. Hans Commenda, in der Zeitschrift Das deutsche Volkslied, Jahrgang 1928, Seite 53-55
- Zehn Bayrische aus der bayrischen Oberpfalz, Rudolf Wolf, in der Zeitschrift Das deutsche Volkslied, Jahrgang 1928, Seite 56-59
- Bemerkungen zu den taktwechselnden Volkstänzen aus der Oberpfalz, Raimund Zoder, in der Zeitschrift Das deutsche Volkslied, Jahrgang 1928, Seite 59-64
- Zwiefache aus dem schwäbisch-alemannischen Raum: Im Internet ist eine PDF-Datei zu finden mit insgesamt 69 Zwiefachen aus dem schwäbisch-alemannischen Raum, gesetzt für zwei Melodiestimmen mit Begleitbuchstaben. Unter Notenarchiv ist sie abrufbar und unter Zwiefache ist sie downloadbar.
- Sonderformen der Volkstänze in Baden-Württemberg, Teil 1, Zwiefache
- Sonderformen der Volkstänze in Baden-Württemberg, Teil 2, Zwiefache
- Forschungsstelle Oberfranken, 80 Bairische, darin Notenbuch aus dem Nachlass der Kapelle Tafelmeier in der Oberpfalz
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