Bis zur Zwischenkriegszeit war in Österreich das "Gaßln",
"aufs Gaßl geihn", "zan Fensta geihn", "onfenstan",
"onfenstan geihn" und "gfrern geihn" üblich. Darunter
verstand man das nächtliche Besuchen der Mädchen an den Fenstern ihrer
Dirnenkammern durch die Burschen der Nachbarschaft oder des weiteren
Umkreises. Diese in aller Heimlichkeit durchgeführte nächtliche Wanderschaft
machten die Burschen gemeinsam oder alleine (wenn sich eine nähere Beziehung
zu einem Mädchen ergeben hatte).
Die Burschen legten dabei in der Nacht beachtliche Entfernungen zurück.
War man bei einem Fenster der Schlafkammern der Diandln angelangt, wurden
sogenannte Gaßlsprüch aufgesagt, die die Aufmerksamkeit der Mädchen
erreichen sollten.
Die Gaßlsprüch waren gereimt und beinhalteten einerseits unglaubliche
Abenteuer, die die Burschen erlebt haben wollten, oder schilderten
andererseits in prächtigsten Farben das Leben des Mädchen als zukünftige
Bäuerin auf dem Hofe des Burschen. Daß die so erzählten Geschichten sich
sofort widersprachen und vor allem zur Belustigung der Mädchen dienten,
braucht nicht gesondert hervorgehoben zu werden.
"Anständige" Mädchen ließen sich etwas Zeit, bis sie das
Fenster öffneten, um den Burschen zu zuhören. "Leichte" Mädchen
öffneten sehr schnell die Fenster und ernteten dafür auch häufig
Spottgedichte oder Sprüche mit sehr direkten erotischen Inhalten.
Schlagfertige Mädchen antworteten den Burschen ebenfalls in Gaßlsprüchen
und reizten diese zu noch tolldreisteren Abenteuererzählungen.
Dieses nächtliche Treiben war von den Bauern nicht gern gesehen, da die am
nächsten Morgen müden Knechte und Mägde für die Arbeit nicht gerüstet
waren. Trotz vieler Versuche, das Gaßlgehen von staatlicher oder kirchlicher
Seite zu verbieten, gelang es nie, die Burschen davon abzuhalten.
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