Volkstanz im Internet 33

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November 2023

Heute möchte ich über die Zwiefachen schreiben. Seit etlichen Jahrzehnten begeistert mich diese faszinierende Tanz- und Musizierform, die ich 1961 bei der Welser Rud kennenlernen durfte. Es verwundert mich daher, wie wenig darüber in meiner engeren Heimat in Ostösterreich bekannt ist.

Beginnen möchte ich aber mit einem Ausspruch von Gerlinde Haid über das Jodeln. Gerlinde meinte einmal, Jodeln sei in der Überlieferung keine festgelegte Harmonie- und Melodieform gewesen, sondern eher ein Gesellschaftsspiel. Einer beginnt einen Jodler, ein anderer versucht, darüber zu jodeln, möglicherweise kommt noch ein dritter dazu, mit einer weiteren Ober- oder Unterstimme oder vielleicht mit einer Gegenstimme. Und wenn das gut zusammenklingt, ist das Gesellschaftsspiel geglückt.

Ich kenne dieses Gefühl vom Musizieren. Auch wenn die Hauptstimme ziemlich festgelegt ist, kann man als Mitspieler variieren, kann eine Überstimme oder Gegenstimme einfügen, kann auch nur die Hauptstimme verstärken. Es ist ein Geschicklichkeitsspiel, das mich schon lange begeistert.

Ich meine, das könnte genauso auch für den Zwiefachen gelten. Es gibt tausende Zwiefache in ziemlich unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad, und die alle richtig zu tanzen, ist vielleicht ebenfalls ein Gesellschaftsspiel. Ich freute mich sehr, in Wien einen Zwiefachkurs besuchen zu können, näheres dazu im Artikel von Michaela Lehner im "Fröhlichen Kreis“ 1_2023. In der nächsten Ausgabe 2/3_2023 finde ich dazu einen Leserbrief von Raimund Sobotka. Seine Meinung, etwas gekürzt: „Man kann den Zwiefach nur tanzen, wenn man den Rhythmus kennt.“ Und das hat mich animiert, ebenfalls etwas zu diesem Thema zu schreiben. Raimund Sobotka hat ja sicher vom tänzerisch-fachlichen Standpunkt sehr recht, das ist aber nicht der Zwiefache, den ich in Bayern kennenlernen durfte.

Ich habe bei diesem Kurs in Wien trotz meiner altersbedingten Langsamkeit mit meiner ebenfalls nicht mehr jugendlichen Partnerin begeistert mitgetanzt, aber eigentlich nichts für mich Neues gelernt. Vor allem habe ich kaum einen einzigen Zwiefachen wirklich gelernt, aber – ich habe sie alle mit Freude getanzt.

Schon seit Jahrzehnten weiß ich, Zwiefache werden nicht erklärt, sie werden musiziert und werden getanzt. Und genau das hat dieser Kurs versucht, zu vermitteln.

Die einzige Erklärung beim Kurs in Wien, an die ich mich erinnere, war der Hinweis von Josef Zapf: „Horcht auf die Posaune!“ – also auf das Rhythmus-Instrument. Und das wissen die Tänzer in Bayern, das sollten wir Ostösterreicher auch lernen, sollten es von mir aus eifrig üben oder schulen: auf den Rhythmus zu achten und nach diesem gehörten oder gespürten, gefühlten Rhythmus zu tanzen. Ich meine, das hat auch Michaela Lehner in ihrem o.a. Artikel gemeint mit den Worten „G’spür“, „Ohrwaschl“ und vor allem mit „kein Ansagen, keine Tanzbeschreibung“.

In Bayern habe ich erfahren, wie viele Menschen, alte und vor allem auch junge, diese Tanzform lieben. Typisch dafür ist die begeisterte Aussage eines ziemlich jungen Tänzers: „Den neuen Tratzerten (= Komplizierten) hab ich auch packt.“ Das bedeutet für mich, dass Zwiefachtanzen in Bayern so etwas wie ein Geschicklichkeitsspiel ist. Wer den Rhythmus heraushört oder fühlt, kann ihn tanzen, auch wenn er das Strickmuster (noch) nicht kennt.

Aber natürlich kann man dieses Spiel noch erfolgreicher spielen, den Zwiefachen noch besser tanzen, wenn man den Rhythmus vorher gelernt hat. Man kann auch Schach besser spielen, wenn man die Züge des Gegners vorher schon weiß. Aber ist das dann noch Schach?

Und dieses Spielerische, vor allem das Rhythmus-Hören, sollten wir in Ostösterreich üben, nicht die formvollendete, vorschriftsmäßige und daher für alle gleichzeitige, gleichzeitig begonnene und daher gleich schnelle Drehung nach Strickmustern, wie wir es von unseren Vorführ-Volkstänzen kennen. Der Zwiefache ist kein Vorführtanz. Und vor allem, es ist nicht nur in meinem etwas fortgeschrittenen Alter unwichtig, sich so schnell zu drehen, wie auch ich es als geschulter Volkstänzer in der Jugend gelernt habe, wie es Raimund Sobotka in seinem Artikel genau erklärt, wie es aber auf einem überfüllten bayrischen Tanzboden ohnedies nicht möglich wäre. Es ist nicht verboten, aber auch nicht wichtig, sich viele hundert oder tausend Strickmuster zu merken. Wichtig ist nur die Freude am Tanzen, am Erfolg. Und die kann auch ein Zwiefacher mit unbekannter rhythmischer Struktur bewirken.

Wenn jemand Noten (oder Griffschrift) von Zwiefachen benötigt, auf Dancilla sind bereits hunderte eingefügt, und das sind noch lange nicht alle, die ich gesammelt habe und weiter finde.

Übrigens, auf vielfachen Wunsch schreibe ich bei jedem dieser vielen Stücke immer auch das Schrittmuster dazu; das ist angenehmer für diejenigen Tänzer, die glauben, es zu brauchen. Ich meine allerdings, das sollte man nicht auswendig lernen, sondern eher wieder vergessen. Wichtiger ist, zu lernen, den Rhythmus aus der Musik herauszuhören, und dann nach dem Rhythmus der Musik zu tanzen und nicht nach einem eingelernten Strickmuster. Allerdings, dazu gehört auch eine Musikgruppe wie der Niederbayrische Musikantenstammtisch (und gottseidank viele andere, vor allem in Bayern), die nicht nur Polkas, sondern auch Zwiefache rhythmisch musiziert. Ich versuche es immer wieder, das auch in Ostösterreich weiterzugeben. Und auch dazu finden Sie Hilfe in Dancilla, unter Spielweise von Zwiefachen.

Ich würde mich freuen, einen weiteren Zwiefach-Kurs mit bayrischen Musikanten in Wien besuchen zu dürfen.

Ich freue mich über Rückmeldungen, vor allem auch über Anregungen.

Franz Fuchs

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