Volkstanz im Internet 26
Juli 2021
Ich werde manchmal gefragt: „Du schreibst so viel über Volkstanz und Volksmusik im Internet. Wo hast du das alles gelernt?“ oder „wo kann man das lernen?“ Kurze Antwort: Ich weiß es eigentlich nicht.
Seit Herbst 1954, ich war damals Maurerlehrling, bin ich Volkstänzer und musizierte auch von Anfang an mit meinem vom ersten Lohn erworbenen Akkordeon zum Volkstanz. Ich habe bald begonnen, alles Erreichbare zu sammeln oder aufzuschreiben. Erst unlängst hab ich meine Tanzaufzeichnungen von 1957 wieder entdeckt und mit Dancilla abgeglichen. Ich war immer ein begeisterter Tänzer, aber nicht nur wegen der Möglichkeit, dass ich schüchterner Jüngling dabei ein Mädchen berühren darf. Ich tanze einfach gern. Seither, seit 65 Jahren, habe ich viel zu vieles gesammelt über Volkstanz und Volksmusik, ich besitze kubikmeterweise einschlägige Bücher und Noten, leider kaum geordnet und daher schwer auffindbar, aber gelesen habe ich alle und mir einiges gemerkt. Ich habe auch viele Kurse mitgemacht, viele Vorträge angehört und mir auch davon vieles gemerkt – leider meist nicht, wer es gesagt oder wo ich es gelesen habe.
Dazu kommt: Von Anfang an habe ich versucht, vieles zu hinterfragen. Etwa war mir bereits 1964 die folgende Aussage eines Volkstanzleiters besonders suspekt: „Volkstanz ist heilige Pflicht am heiligen deutschen Volk!“ Auch bei harmloseren Aussagen war für mich immer wieder, von Anfang an bis heute, Nazi-Ideologie und Kriegs-Rhetorik erkennbar, die ich beides ablehne. Meine Vorbilder von damals waren eigentlich durchwegs alte Nazi, das ist mir ziemlich bald unangenehm aufgefallen. Andererseits hat mich ihre begeisterte und begeisternde Vorbildwirkung bei Tanz und Musik doch irgendwie geprägt – bis heute. Und auch meine Vorbilder wurden mit der in ihrer Jugend vorherrschenden Ideologie sozialisiert, sie hatten ja keine andere Möglichkeit.
Wie gesagt, was ich von wem gelesen, gehört oder gelernt habe, weiß ich oft nicht mehr. Aber ich hoffe, dass ich nur das weitergebe, was ich hinterfragte und was in die heutige Zeit passt.
Und dann kam meine Pension, nach 52 fordernden Berufsjahren. Ich hatte plötzlich Zeit, wollte weiter lernen, weiter Fachliches entdecken, dabei fand ich das Internet. Dort ist viel zu vieles zu finden, das darauf wartet, hinterfragt zu werden. Und fast täglich entdecke ich neues. Im Internet sind ganze Bücher über Volkstanz veröffentlicht, digitalisiert, in Originalausgabe. Ich verlinke sie auch in Dancilla, auf sind einige davon abrufbar.
Unlängst entdeckte ich sogar die digitalisierte Gesamtausgabe der Zeitschrift Das deutsche Volkslied, Jahrgang 1899 bis 1949, mit unzähligen Beiträgen über Volkslied, Volkstanz, Volksmusik. Ich bin praktisch fertig, die vielen tausend Seiten zu durchforsten, fand Erstaufzeichnungen und Melodien von etlichen, teilweise mir völlig unbekannten Volkstänzen, fand unzählige Fachartikel und vieles mehr, das mich als Volkstänzer brennend interessiert, und das ich jetzt kleinweise in Dancilla einarbeite.
Von Facebook, auch so eine Internetgeschichte, hatte ich eigentlich immer eine schlechte Meinung. Das sind ja nur Tratschseiten mit Katzenvideos – dachte ich. Vor zwei Jahren überredete mich meine Volkstanzgruppe, ich solle ihre Facebook-Seite betreuen, so etwas braucht man heute angeblich, um die Jugend zu erreichen – ich war überhaupt nicht erfreut.
Und inzwischen weiß ich, „die Jugend“ erreicht man auch mit Facebook nicht.
Aber ich fand nicht nur Hundebilder und Tratsch, ich fand auch immer wieder Fragen über unterschiedliche Themen, immer wieder sind Fragen dabei, die ich mit meiner Vorbildung beantworten kann – etwa durch Hinweise auf eine meiner Seiten – oder einfach Ideen, die mich zu neuen Seiten in meiner Online-Volksmusikschule anregten. Daher veröffentlichte ich doch in letzter Zeit wieder einiges mehr an Spieltechnik, und merke auch an den Rückmeldungen, dass dies ankommt. Meine Online-Volksmusikschule ist seither um etliche neue Seiten oder Ergänzungen gewachsen.
Allerdings – auch der Lockdown hat dazu beigetragen. Ich hatte doch Zeit, meine eigenen Seiten wieder selbst kritisch zu lesen – und dann zu ergänzen. Aber aus welchen Quellen meine Erinnerung dabei schöpft – ich weiß es noch immer nicht.
Ich freue mich über Rückmeldungen, vor allem über Anregungen. Und vor allem auch über Anregungen, was ich im Internet ergänzen oder besser machen könnte.
Franz Fuchs