Grundtanz
Dies ist eine Liste von Tänzen, die von der Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz als Grundtanz definiert wurde. Diese Tänze sollten von österreichischen Volkstänzern beherrscht werden.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz hat im Jahr 1956 einige Tänze als Österreichische Grundtänze ausgewählt, um das gemeinsame Tanzen von Tänzern aus verschiedenen österreichischen Bundesländern zu ermöglichen. Gewählt wurden vor allem Formen, die in möglichst vielen Regionen aufgezeichnet waren.
Ursprünglich waren es 12 Tanzformen plus Auftanz, im Jahr 1962 wurde diese Liste auf 20 Grundtänze erweitert, sie bilden inzwischen den Grundstock für die Volkstanzausbildung, sowie für Volkstanzfeste und Offenes Tanzen in ganz Österreich.
Veröffentlicht wurden diese Tänze in den beiden Heften
- Österreichische Tänze, Unsere Grundformen, herausgegeben von Herbert Lager und Hermann Derschmidt, Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, Wien-München, 1959.
- Österreichische Tänze, Zweiter Teil, Beschrieben und musikalisch eingerichtet von Herbert Lager, Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, Wien-München, 1969.
In beiden Werken stehen zusätzlich
- Bemerkungen zu den Tänzen
- Quellennachweis der Tanzmelodien
- Tanzweisen (gesonderte Beilage)
Liste der Grundtänze
Diese für ganz Österreich empfehlenswerten Tänze sind:
Ursprüngliche 12 Grundtänze aus 1956
- Offener Walzer
- Hiatamadl
- Neudeutscher
- Siebenschritt
- Studentenpolka (Der Gmischte)
- Kreuzpolka
- Jägermarsch
- Rheinländer (Reidlinger Schottisch)
- Schwedischer
- Bayrisch-Polka (Boarischer)
- Neubayrischer
- Krebspolka
- zuzüglich Auftanz
Erweiterte 8 Grundtänze aus 1962
- Eiswalzer
- Waldjäger (Mühlviertler Waldjäger)
- Puchberger Schottisch
- Spinnradl
- Paschater Zweischritt
- Kaiserlandler
- Marschierpolka
- Einfacher Dreher (Oanlatzer Drahra)
zusätzlich im zweiten Heft veröffentlichte Tänze
- Ramsauer Kreuzpolka
- Gamsenegger (Gamsenegger Tanz)
- Knödldrahner (Mazurka aus Montan)
- Bauernmadl
- Woaf (Weifentanz)
- Ramsauer Hiatamadl (Pongauer Hiatamadl)
- Siebenbürger Rheinländer
- Der Lustige
- Hexentanz
- Bandltanz (Pinzgauer Bandltanz)
Neuauflage
Da diese beiden Tanzhefte samt Noten längst vergriffen sind, hat Ludwig Berghold eine Neuauflage herausgebracht, etwas gekürzt und beschränkt auf die eigentlich als Grundtänze bezeichneten Tanzformen: Österreichische Grundtänze.
Einleitung kritisch betrachtet
Im Buch Volkstanz zwischen den Zeiten wird gefordert, ältere Volkstanzveröffentlichungen auf ihre Eignung zur heutigen Zeit kritisch zu hinterfragen. Dies versuche ich hier für dieses Buch. Allgemein gültiges dazu, das aber im besonderen Maß auch auf dieses Werk zutrifft, habe ich auf der Seite Gestalteter Tanz zusammengestellt.
Ursprüngliche 12 Grundtänze - I. Teil
Der Titel "Österreichische Volkstänze" legt den Gedanken nahe, es handle sich um Tänze, die in Österreich entstanden sind und daher hier her gehören. Das stimmt so nicht. Tatsache ist, die Tänze wurden in Österreich nur aufgezeichnet, der Auftanz nicht einmal das. Überliefert wurden diese Tänze genauso in anderen Ländern, sogar in anderssprachigen Ländern. Es handelt sich zum Großteil um gesamteuropäische Gesellschaftstänze des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Das Vorwort Wolframs beinhaltet etliche mythische, schwülstige, romantische Anspielungen, die heute wohl niemand mehr so formulieren würde. "Lebensgesetze des Tanzes", "Schöpferkraft des Volkes", "echtes, nicht erstarrtes Leben der Tänze" und ähnliches klingen ziemlich überholt.
Herbert Lager verwendet in der Einführung ebenfalls schwülstige Formulierungen: "gesunde Bahnen", "ein Band um die Menschen der engeren oder weiteren Heimat", "Kleid der Heimat", ""Übermondäne und Blasierte", "alle der Heimat nicht mehr verbundenen" und vieles andere.
Lager lehnt "willkürliche Gestaltungsversuche im Bereich des überlieferten Tanzes" ab. Aber er selbst hat ja bei einigen Tänzen gestaltet.
Er schreibt von der "langen Folge von Geschlechtern", die Volkstänze geprägt hat und vergisst dabei, dass genau die in diesem Buch veröffentlichten Tänze alle ohne Ausnahme noch um 1900 Gesellschaftstänze waren, bevor sie ab 1920 im "Fleiße vieler Forscher" aufgezeichnet wurden. Lagers Folgerung "alle diese Tänze sind also unpersönlich" kann ich daher nicht nachvollziehen.
"Die tanzende Jugend" habe diese Tänze erwählt? Nach meiner Erinnerung haben immer erwachsene Tanzleiter die Tanzfolgen gestaltet, die Jugend hat dies hingenommen.
"Tanz ist Bindung"? Bindung woran? An die Gemeinschaft, aber an welche Gemeinschaft? Gemeint ist offensichtlich die Volksgemeinschaft im nationalistischen Sinn, also nicht die "der Gemeinschaft Entfremdeten".
"Der Tanz unserer Heimat ist geschlossen und engbewegt" - vielleicht, weil in den Stuben, in denen laut Überlieferung getanzt wurde, nicht viel Platz war? Ich kenne jedenfalls Tänze, für die "unbekümmertes Gehüpfe und übertriebene Bewegungen" sogar kennzeichnend sind, etwa den Wischtanz oder tradierte Schuhplattler. Und auch Lager selbst beschreibt etwas Derartiges in den Bemerkungen zum Schwedischen
Die Einführung erweckt den Eindruck, alle veröffentlichten Tänze wären im Gebiet des heutigen Österreich aufgezeichnet worden. Das stimmt zumindest für den Auftanz nicht. Siehe dort.
Sowohl Tänze als auch Einführung sind zum Großteil bereits im von Lager 1943 veröffentlichten Buch Unsere Tänze enthalten und wurden fast wörtlich übernommen. In diesem Heft ist die nationalsozialistische Einstellung noch viel deutlicher, anscheinend hatte Lager diese Einstellung zumindest bis 1957 nicht geändert.
Die komplette Einführung ist heute in praktisch jedem Wort nicht mehr zeitgemäß und daher vollständig abzulehnen. Allerdings: darüber hinaus sind die einzelnen Tanzbeschreibungen sowie die Bemerkungen zu den Tänzen" im Anhang weiterhin äußerst brauchbar.
Erweiterte 8 Grundtänze - II. Teil
Hier vermeidet Lager in der Einführung besonders schwülstige Formulierungen, die ihm wohl inzwischen selbst nicht mehr zeitgemäß vorkamen. Eine negative Ausnahme ist vielleicht Roseggers Zitat vom "Kunstwerk der Nation", das aus "Wertschätzung und Liebe" zu "Gewissenhaftigkeit im Lehren und Anwenden" führen soll.
Aber sonst ist die Einleitung zum II. Teil auch heute recht brauchbar.
Vorläufer der Grundtänze
Tänze unserer Gemeinschaft
Karl Haiding und Arthur Nowy, 1937
In diesem Heft sind bereits die meisten der Tänze enthalten, die auch 1957 in die Österreichischen Grundtänze aufgenommen wurden. Das Heft wurde im Nationalsozialistischen Stil gestaltet, um "deutsche" Tänze zu verbreiten (siehe Einleitung).
In diesem Heft taucht zum ersten Mal in der Literatur der Auftanz auf, hier Aufzug genannt, und zwar ohne nachvollziehbare Quellenangabe.
Siehe Tänze unserer Gemeinschaft.
Deutsche Gemeinschaftstänze
Heft 1, Grundtänze, Carl Hannemann, 1938
Im Jahr 1938 wurden im "Dritten Reich" aus ideologischen Gründen 14 Grundtänze bestimmt und propagiert. Siehe Zeitschrift Volkstanz.de, Ausgabe 2/2013, Seite 27 im äußerst lesenswerten Artikel Volkstanz, Propaganda, Erinnerung: Wer schreibt Geschichte von Dr. Hanna Walsdorf.
Enthalten sind ausschließlich Tänze aus dem vorhergegangenen Heft, auch der Auftanz, hier erstmals so benannt. In diesem Heft taucht auch zum ersten Mal in der Volkstanzliteratur der Ausdruck "Grundtanz" auf.
Siehe Deutsche Gemeinschaftstänze (Grundtänze).
Unsere Tänze
Herbert Lager 1943, Vorwort 1940 geschrieben
Alle in den vorigen Heften enthaltenen Tänze mit Österreichbezug sind hier ebenfalls enthalten, aber auch der Auftanz mit der Quellenangabe "Tänze unserer Gemeinschaft".
Siehe Unsere Tänze.
Österreichische Tänze, unsere Grundformen
Herbert Lager, 1. Teil 1956, zweiter Teil 1962
Praktisch alle im vorigen Buch enthaltenen Tänze mit Österreichbezug (mit drei Ausnahmen) sowie der Auftanz sind immer noch hier enthalten. Auch in der Einführung wurde einiges aus der Einführung zu "Unsere Tänze" wörtlich übernommen bzw. abgeschrieben. Das erweckt den Eindruck, dass diese Grundtänze mit der gleichen Geisteshaltung ausgewählt wurden, die in den aus der Nazizeit stammenden Vorläuferheften vorherrscht.