Volkstanz im Internet 35

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September 2024

Wir hatten vor einigen Jahren eine kleine Tanzvorführung, zwischendurch sang der Stifts-Chor. Es war dann nach dem offiziellen Ende gemütlich, unsere Tänzer wollten weiter tanzen, und auch die Chor-Mitglieder, besonders die Damen, waren dem nicht abgeneigt. Ich fragte den Chorleiter, ob er nicht auch mittanzen wolle. Seine Antwort war: „Tanzen ist Balzverhalten. Das schickt sich nicht für einen Priester.“

Nun, ich kannte zwar Priester, die mittanzten, aber unsere Volkstänze sind zum Großteil Paartänze. Dass der Ausdruck Balzverhalten nicht ganz falsch ist, beweisen etwa die vielen Hochzeiten innerhalb unserer Gruppe. Unsere Tänze sind halt überwiegend Tänze für einen Mann und eine Frau, die sich dabei, zumindest bei manchen Tanzfiguren, sehr nahe kommen.

Aber heute gibt es da offensichtlich ein Problem. Es wird immer schwieriger, Männer zu finden, die tanzen möchten, die Frauen sind bei unseren Volkstanzgruppen oft in der Überzahl.

Gehen Sie einmal auf einen Feuerwehrball oder ähnliches. In der Stadt, auf dem Land, es ist überall vergleichbar: Vor der Bar drängen sich viele Männer, viele Frauen sitzen an den Tischen und plaudern, die meist ohnedies kleine Tanzfläche ist ziemlich leer.

Beim Musikantenstammtisch brillieren manche Männer mit ihrer Harmonika, spielen Volksmusik oder was sie halt dafür halten. Ihre Frauen schunkeln dazu, bewundern sie und klatschen eifrig, tanzen manchmal sogar, Frau mit Frau. Lade ich eine dieser Frauen in die Volkstanzgruppe ein, kommt ziemlich sicher die Antwort: „Ich würde ja gern tanzen, aber mein Mann.“ Frage ich einen der soeben mit der Harmonika brillierenden Männer, kommt meist die Standard-Ausrede: „Keine Zeit.“ Seltener höre ich auch die ehrliche Antwort: „Ich kann (oder mag) ja nicht tanzen.“

Früher war das anders. In meiner Jugendzeit, weit im vorigen Jahrtausend, tanzte man auch als Mann sogar gerne. Dieses Bild hat sich offensichtlich gewandelt. Früher zeigte ein Mann in der Öffentlichkeit sicher keine Zärtlichkeiten, vollführte keinerlei als weiblich angesehene Tätigkeiten. Mein Vater hätte nie in der Öffentlichkeit einen Kinderwagen geschoben, das schickte sich nicht. Aber er tanzte gern, so wie ich. Ist heute vielleicht das Tanzen ein letzter Rest von als weiblich angesehenen Tätigkeiten? Die man als Mann eben nicht macht?

Auch meine Volkstanzgruppe könnte noch Tänzer brauchen. Notfalls gibt es Dreiertänze oder es tanzt Frau mit Frau, allerdings ungern. Die Tänzer weigern sich übrigens meist, mit einem anderen Mann zu tanzen, oder lachen zumindest verlegen.

Und warum ist das so? Warum haben Männer Hemmungen, zu tanzen? Weil sie es (noch) nicht so gut können? Mir fallen dazu spontan einige Klischees ein – oder sind es vielleicht gar keine Klischees?

Männer wollen zeigen, was sie können, wollen brillieren, wollen immer der Beste sein. Im normalen Leben wäre das ja nicht gar so problematisch. Macht man als Mann einen Fehler oder ist man vielleicht doch nicht so gut, wie man sich gerne geben möchte, so kann man sich immer irgendwie herausreden. Aber beim Tanz, bei der engen Tuchfühlung mit der Tanzpartnerin, da ist es doch anders. Ja, Tuchfühlung kann ja manchmal ganz angenehm sein – aber beim Tanz? In aller Öffentlichkeit? Wir wollen ja die Partnerin beeindrucken, sie führen. Aber die Partnerin merkt jeden Fehler, sogar jede Unsicherheit, und alle können das sehen – zumindest fürchten wir Männer das. Und womöglich begreift sie die Figurenfolge sogar schneller, würde ihn womöglich sogar ausbessern. Für einen richtigen Mann ist das undenkbar. Da fühlt er sich unsicher, tanzt lieber gleich gar nicht.

Vielleicht wollen wir Männer uns auch nicht von der Musik steuern lassen? Wir wollen halt alles immer im Griff haben, alles selbst bestimmen, oder das zumindest glauben. Warum soll man sich da von dieser blöden Tanzmusik den Rhythmus vorgeben lassen? Dabei wäre es so wichtig für uns Männer, tanzen zu können. Auch für uns wäre es gut, einmal den in der Jugend offenbar antrainierten Männlichkeitswahn loslassen zu können.

Es gibt ja einige männliche Tänze, nicht nur Paartänze. Beim Waldhansl etwa kann man beim Paschen seine männliche Kraft zeigen, kann beim Gstanzlsingen mit Lust auch Unanständiges singen. Oder kann sich beim Böhmerwaldlandler endlich auf die Schenkel klopfen. Vielleicht sollten wir im Volkstanz derartige männliche Tanzformen fördern? Aber auch da wollen immer mehr Frauen mitpaschen, mitsingen – wieder nichts mit der männlichen Überlegenheit?

Traditioneller Überlieferung würde entsprechen, der Mann führt beim Tanz, die Frau lässt sich führen. Aber wie führt man richtig? Bei den vielen Volkstanzkursen in meinem Leben habe ich das nie gelernt. Im Volkstanz ist es ja auch kaum nötig, die Figuren sind da ziemlich festgelegt. Wenn beide den Tanz kennen, ist Führen eigentlich nicht mehr wichtig. Aber wenn die Partnerin diesen Tanz nicht kann, muss der Mann führen, etwas, was er zwar gern tun würde, aber nie gelernt hat. Dabei würden sich viele Frauen gern führen lassen.

Anscheinend bin ich kein „richtiger Mann“, ich tanze noch immer gern. Aber wissen Sie, wie man einen dieser Männer zum Tanzen bewegt oder gar begeistert? Dann verraten Sie es mir bitte. Vielleicht sollten die Damen ihre Männer zum Tanz verführen?

Übrigens, in Dancilla sind nicht nur Volkstanzbeschreibungen zu finden. Dort ist noch viel mehr eingefügt, etwa auch in der Kategorie Tanzen lernen eine Anleitung Führen beim Tanz.

Ich freue mich über Rückmeldungen, vor allem auch über Anregungen.

Franz Fuchs

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