Volkstanz im Internet 8
September 2014
Volkstanz im Internet 8
Im fröhlichen kreis 2014/2 teilt Helmut Jeglitsch die folgende Ansicht nicht: „Lassen wir doch die Landler in deren Gebiet!“ Im nächsten kreis 2014/3 gibt es einige Kommentare dazu, die praktisch alle ebenfalls den Gebietsschutz für Ländlertänze ablehnen. Anscheinend bewegt diese Ansicht aber unsere Volkstänzer, sonst gäbe es nicht so viele Kommentare.
Als „Macher“ von Dancilla bin ich da direkt betroffen. Wir haben etliche nachvollziehbare Ländlertänze in Dancilla eingegeben, mit kompletter Tanzbeschreibung, Noten, Griffschrift, Video und etlichen anderen Hilfsmitteln. Diese Tänze werden nun aber nicht nur in anderen österreichischen Regionen, sondern sogar weltweit nachgetanzt, auch in wesentlich anderen Kulturen.
Das alles hat es auch früher schon gegeben, Tanzbücher wurden ebenfalls weltweit verschickt, reisende Tanzlehrer verbreiteten etliches – ich erinnere mich etwa an den Amerikaner Rickey Holden, bei dem ich in Wien American Square Dance lernte, oder die Japaner, die versuchten, uns ihre Tänze zu lehren – aber Dancilla erleichtert dies alles doch wesentlich.
Das Problem hat sich für meine Internetpräsenz schon vor etlichen Jahren gestellt. Deshalb habe ich schon vor einiger Zeit einiges dazu geschrieben, siehe etwa die Diskussion auf Tanzverbreitung durch das Internet, die ich hier nicht abschreiben möchte. Sie ist auf Dancilla zu finden. Allerdings – es gibt doch Tänze, die ich aus manchen Gründen in ihrer Region belassen würde, etwa den Innviertler Landler. Ich habe ihn sogar vor Jahren in Wien gelernt und getanzt. Die Tanzbeschreibung und daher Nachvollziehbarkeit wäre nicht das Problem, aber der Rhythmus. Ein Innviertler Landler ohne den dazu üblichen verrissenen Rhythmus ist für mich als Musikant nicht realisierbar oder nur mit unverhältnismäßig großem Zeitaufwand. Daher werde ich dazu auch keine Tanzbeschreibungen und vor allem keine Melodien in Dancilla aufnehmen, eingefügt wurden nur Videos und im Internet gefundene, abrufbare alte Beschreibungen.
Und natürlich gibt es Bräuche, Brauchtänze, die nur in ihrem Stammgebiet Sinn machen, die dort wichtig sind, die man dort braucht, die aber überall anders bestenfalls Theater sind, wenn nicht gar schlechter Mummenschanz. Dazu zähle ich etwa den Tresterer Tanz aus dem Pinzgau. Sehen Sie nach in Dancilla. Wir haben einiges zu diesem Tanz zusammengetragen. Es ist interessant zum Lesen oder anschauen. Aber bitte versuchen Sie nie, es etwa in Wien nachzumachen.
Zur Glaubwürdigkeit von Volkstanz-Aufzeichnungen
Karl Horak hatte knapp vor dem Krieg in Südmähren das Treskowitzer Menuett aufgezeichnet; etwas vorher, im Jahr 1935, erlernte es auch Walter Tittor von einer Frau Marie Czech. Nun berichtete mir der Vater eines Schulkollegen und seine Tochter übereinstimmend, dass dieser Tanz früher etwas anders, einfacher getanzt wurde, Marie Czech habe ihn umgestaltet, damit er „schöner zum Anschauen“ sei.
Auf Dancilla lesen Sie beide Versionen und können selbst entscheiden, welche Ihnen besser zum Tanzen gefällt – und welche glaubwürdiger sei.
Oder der Scharutscha aus Niederösterreich, fast identisch mit dem Sir Roger aus Oberösterreich oder dem Virginia Reel aus Amerika – und mit noch vielen anderen Tänzen aus der ganzen Welt. Angeblich hat ihn der Urgroßvater eines „Sir Roger de Coverley“ im Jahr 1766 erfunden. Nur – die Erstaufzeichnung als „Roger of Coverly“ gab es bereits 1695, und diesen Sir Roger hat es überhaupt nicht gegeben, er ist eine fiktive, erfundene Figur. Der Scharutscha ist also ein englischer oder schottischer Tanz aus 1695, der bis 1920 als Modetanz über die ganze Welt verbreitet wurde. Und das ist im Internet leicht feststellbar.
Ich freue mich über Rückmeldungen, vor allem über Anregungen, Franz Fuchs