Harmonikaspiel nach normalen Noten: Unterschied zwischen den Versionen
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== Wie lernt man heute Harmonika spielen? == | == Wie lernt man heute Harmonika spielen? == | ||
Die wichtigsten und bekanntesten Methoden sind wohl: [https://www.volksmusikschule.at/griffschriftlehre.htm Lernen nach Griffschrift] (ohne oder meist mit Lehrer) – und [https://www.volksmusikschule.at/lehrvideos.htm Lernen nach Videos] aus dem Internet. [https://www.volksmusikschule.at/gehoer.htm Lernen nach Gehör] wird eigentlich nicht angeboten, das ist schade. | |||
Für Griffschrift sind etliche oft sehr gut aufgebaute [https://www.volksmusikschule.at/schulwerke.htm Schulen oder Lehrwerke] erhältlich. Der Anfänger erlernt dabei recht schnell, die richtigen Knöpfe auf seiner Harmonika zur richtigen Zeit in richtiger Länge zu drücken. Er hat daher bald ein Erfolgserlebnis. Hat man einen guten Lehrer, dann gibt es auch Rückmeldungen, um Fehler zu vermeiden. Und vor allem, man muss sich das Stück nicht merken, muss es nicht mehr oder weniger mühsam auswendig lernen, man kann ja jederzeit nachschauen, nachschlagen, wie es geht. | |||
Man kann aber nur Stücke spielen, die irgendjemand bereits in Griffschrift gesetzt hat. Die Griffschrift verleitet auch dazu, nur so gesetzte Stücke zu spielen, weil es halt bequem ist. Man spielt kritiklos auch alle Fehler der Vorlage, denn so wurde es ja gesetzt, daher muss es natürlich so stimmen. | |||
Video-Schulen gibt es im Internet ebenfalls bereits etliche, mit oft sehr guten Lehrern. Manchmal sind auch Rückmeldungen möglich, um Fehlhaltungen gleich gar nicht aufkommen zu lassen. Da es etwas mühsamer ist, ein Stück so zu erlernen, merkt man es sich auch leichter. Und vor allem, man lernt auch den Fingersatz des Lehrers mit. | |||
Falls man sich aber trotzdem nicht mehr erinnert, wie der dritte Teil eines Stückes beginnt, hat man allerdings Pech. Am Stammtisch oder beim Konzert schnell zwischendurch nachzuschauen, ist halt mit Lehrvideos nicht so einfach. | |||
Optimal wäre vielleicht eine Kombination aus beiden Methoden? | |||
== Warum spielt man nach Griffschrift? == | |||
Es ist einfach und bequem. Viele, besonders die beliebten Stücke sind in Griffschrift bereits leicht zu bekommen. Man muss sein Gehirn nicht anstrengen oder fordern, braucht die Griffschrift nur zu lesen und die Griffe nachvollziehen. Man braucht nichts auswendig zu lernen – für viele ein wesentliches Argument. Für Anfänger jeden Alters, auch für Kinder, ist es sicher sehr geeignet. | |||
Man lernt mit gut gesetzter Griffschrift auch Griffe und Möglichkeiten kennen, auf die man sonst vielleicht nicht so bald gekommen wäre, das ist auch für viele fortgeschrittene Spieler recht empfehlenswert. | |||
Zur Sicherheit kann man bei Auftritten das Griffschriftblatt hinlegen, auch wenn man das Stück bereits eigentlich auswendig kann. Dann passiert es zumindest mir nicht mehr, dass ich ein Trio aus einem anderen Stück einbaue. Noten hinlegen wäre allerdings auch mit normalen Noten möglich. | |||
== Warum sollte man normale Noten auch beim Harmonikaspiel verwenden? == | |||
Musik ist mehr, weit mehr, als nur Knöpfe zu drücken. Musik ist ja auch Gefühl, ist vor allem Melodie, und die Melodieführung kann man in den logischer angeordneten Noten besser erkennen. Man könnte die Melodie zwar auch in Griffschrift erkennen, aber das lehrt außer mir eigentlich niemand, es ist auch nicht so leicht. Siehe [https://volksmusikschule.at/griffschrifthoeren Griffschrift hören]. | |||
Vor allem, man kann endlich auch Stücke spielen, für die noch niemand die Griffschrift geschrieben hat, und das betrifft wohl immer noch die Mehrzahl der für die Harmonika möglichen Stücke. | |||
== Muss man dazu Noten lernen? == | |||
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[[Category:Musizieren lernen]] | [[Category:Musizieren lernen]] |
Version vom 13. Februar 2025, 10:43 Uhr
(Franz Fuchs, Klosterneuburg)
"Harmonika spielt man nach Griffschrift!" Zumindest wird das oft behauptet. Behauptet auch Ihr Lehrer das, dann wechseln Sie getrost den Lehrer. Würde das stimmen, wäre die Harmonika schon vor 100 Jahren ausgestorben so wie einige andere Instrumente. Es gibt und gab immer auch andere Möglichkeiten, ein neues Harmonikastück zu erlernen oder es als Merkhilfe aufzubewahren. Und eine dieser Möglichkeiten ist und war immer schon das Spiel nach normalen Noten.
Aber: Das größte Verbrechen eines Musikanten ist, Noten oder Griffschrift zu spielen und die dazu richtigen Knöpfe zu drücken, anstatt zu musizieren.
Wie hat man früher Harmonika spielen gelernt?
Die Steirische Harmonika wurde etwa um 1860 entwickelt. Im Prinzip war sie damals zwar dreireihig, aber nach dem genau gleichen System aufgebaut wie heute immer noch, auch wenn es inzwischen oft Erweiterungen gab und gibt. Zu diesem Instrument hat Max Rosenzopf, ein steirischer Musikant und Harmonikalehrer, vor dem Jahr 1975 eine bereits vorhandene Tabulatur für die Club-Harmonika an die Erfordernisse der Steirischen angepasst. Er nannte diese Tabulatur Griffschrift. Vorher gab es nichts für genau dieses Instrument. Nichts. Außer natürlich normale Noten. Die gab es schon lange vorher. Und die gibt es noch immer, es werden immer noch weit mehr Stücke oder Lieder mit Noten als mit Griffschrift niedergeschrieben.
Es gab in diesen über hundert Jahren ohne Griffschrift viele Spieler, die oft besser spielten als mancher erfolgreiche Absolvent einer heutigen Schule. Der beste, weil gefühlvollste Spieler war für mich Andreas Salchegger, und der war blind, konnte weder mit Noten noch mit einer Griffschrift etwas anfangen.
Man lernte etwa nach Gehör, durch ausprobieren, oder man ließ sich die dazu nötigen Griffe zeigen, so wie es ja auch die heutigen Video-Schulen im Internet machen. Allerdings, bis vor wenigen Jahren gab es weder Videos noch Internet. Walter Deutsch meinte einmal, Überlieferung bedeutete, man setzte sich dazu seinem Großvater gegenüber und spielte das nach, was dieser vorzeigte. Ich glaube halt, es war damals noch schwieriger als heute, einen passenden Großvater zu finden. Auch dazu ausgebildete Harmonikalehrer gab es früher keine, Max Rosenzopf war vielleicht der erste. Und die Aussage von Walter beantwortet auch nicht die Frage, wie es der Großvater selbst gelernt hätte.
Ich selbst lernte die Griffschrift 1979 bei einem Seminar mit Max Rosenzopf in Haibach kennen, spielte aber schon vorher gern und nicht ganz schlecht mit meiner 1960 gekauften Harmonika zum Volkstanz auf, und das ganz ohne Lehrer oder einen "Großvater", der es mir hätte zeigen können. Wir alle, die wir vor etwa 1980 Harmonika spielten, erlernten das Spiel und lernten neue Stücke vor allem durch Zuhören und Nachspielen, und natürlich durch ausprobieren. Ungefähr 1970 legte mir ein Volkstanzleiter einstimmige Noten vom Neppendorfer Landler hin, ich solle das jetzt spielen, er möchte der Gruppe diesen neuen Tanz lehren. Ich schaute mir die Noten kurz an, versuchte, sie in Gedanken zu singen, und konnte das Tanzl ziemlich schnell halbwegs spielen; ich war damit jedenfalls schneller, als die Tänzer benötigten, ihre Figuren zu erlernen. Und seither spiele ich auch nach Noten.
Wie lernt man heute Harmonika spielen?
Die wichtigsten und bekanntesten Methoden sind wohl: Lernen nach Griffschrift (ohne oder meist mit Lehrer) – und Lernen nach Videos aus dem Internet. Lernen nach Gehör wird eigentlich nicht angeboten, das ist schade.
Für Griffschrift sind etliche oft sehr gut aufgebaute Schulen oder Lehrwerke erhältlich. Der Anfänger erlernt dabei recht schnell, die richtigen Knöpfe auf seiner Harmonika zur richtigen Zeit in richtiger Länge zu drücken. Er hat daher bald ein Erfolgserlebnis. Hat man einen guten Lehrer, dann gibt es auch Rückmeldungen, um Fehler zu vermeiden. Und vor allem, man muss sich das Stück nicht merken, muss es nicht mehr oder weniger mühsam auswendig lernen, man kann ja jederzeit nachschauen, nachschlagen, wie es geht.
Man kann aber nur Stücke spielen, die irgendjemand bereits in Griffschrift gesetzt hat. Die Griffschrift verleitet auch dazu, nur so gesetzte Stücke zu spielen, weil es halt bequem ist. Man spielt kritiklos auch alle Fehler der Vorlage, denn so wurde es ja gesetzt, daher muss es natürlich so stimmen.
Video-Schulen gibt es im Internet ebenfalls bereits etliche, mit oft sehr guten Lehrern. Manchmal sind auch Rückmeldungen möglich, um Fehlhaltungen gleich gar nicht aufkommen zu lassen. Da es etwas mühsamer ist, ein Stück so zu erlernen, merkt man es sich auch leichter. Und vor allem, man lernt auch den Fingersatz des Lehrers mit.
Falls man sich aber trotzdem nicht mehr erinnert, wie der dritte Teil eines Stückes beginnt, hat man allerdings Pech. Am Stammtisch oder beim Konzert schnell zwischendurch nachzuschauen, ist halt mit Lehrvideos nicht so einfach.
Optimal wäre vielleicht eine Kombination aus beiden Methoden?
Warum spielt man nach Griffschrift?
Es ist einfach und bequem. Viele, besonders die beliebten Stücke sind in Griffschrift bereits leicht zu bekommen. Man muss sein Gehirn nicht anstrengen oder fordern, braucht die Griffschrift nur zu lesen und die Griffe nachvollziehen. Man braucht nichts auswendig zu lernen – für viele ein wesentliches Argument. Für Anfänger jeden Alters, auch für Kinder, ist es sicher sehr geeignet.
Man lernt mit gut gesetzter Griffschrift auch Griffe und Möglichkeiten kennen, auf die man sonst vielleicht nicht so bald gekommen wäre, das ist auch für viele fortgeschrittene Spieler recht empfehlenswert.
Zur Sicherheit kann man bei Auftritten das Griffschriftblatt hinlegen, auch wenn man das Stück bereits eigentlich auswendig kann. Dann passiert es zumindest mir nicht mehr, dass ich ein Trio aus einem anderen Stück einbaue. Noten hinlegen wäre allerdings auch mit normalen Noten möglich.
Warum sollte man normale Noten auch beim Harmonikaspiel verwenden?
Musik ist mehr, weit mehr, als nur Knöpfe zu drücken. Musik ist ja auch Gefühl, ist vor allem Melodie, und die Melodieführung kann man in den logischer angeordneten Noten besser erkennen. Man könnte die Melodie zwar auch in Griffschrift erkennen, aber das lehrt außer mir eigentlich niemand, es ist auch nicht so leicht. Siehe Griffschrift hören.
Vor allem, man kann endlich auch Stücke spielen, für die noch niemand die Griffschrift geschrieben hat, und das betrifft wohl immer noch die Mehrzahl der für die Harmonika möglichen Stücke.