Volkstanz im Internet 22
November 2019
„Warum Volkstanz im Internet, also weltweit veröffentlichen? Das verhindert doch nur neue Buchausgaben, da niemand ein Buch kauft, wenn er den Inhalt ohnedies im Internet abrufen kann.“ Vergleichbare Argumente hörte ich oft, höre ich noch immer ab und zu.
Aber – was wollen wir Volkstänzer erreichen? Das möchte ich hinterfragen. Wollen wir Bücher verkaufen? Ist das unser Hauptzweck? Wollen wir Volkstanz verbreiten? Und wo? Wollen wir der Welt zeigen, wie gut wir sind? Wollen wir unsere heimischen Tänze nur in der engeren Heimat verbreiten? Wo sie ja aufgezeichnet wurden? Und wo sie daher hingehören? Ausschließlich hingehören?
Ich habe vor Jahren einige Noten- und Liederhefte gestaltet, auch ein Lehrheft für die BAG, auch zwei CD, Auflage schwankend, etwa tausend Stück, sie sind noch immer nicht ausverkauft. Ich gestalte seit 19 Jahren Internetseiten über Volksmusik und Volkstanz, gesehen haben sie bisher weit über 30 Millionen User, derzeit täglich mehr als fünfzehntausend Benutzer, die jeder 5 - 6 Seiten abrufen. Und dieser natürlich rein quantitative Unterschied gibt mir zu denken.
Ich weiß schon, die 30 Millionen sind keine echten Benutzer. Da sind viele Leute mehrfach gezählt, die ja immer wieder reinschauen, da sind die automatischen Suchmaschinen mitgezählt, die das immer wieder durchforsten. Aber ich sehe auch die Rückmeldungen: Zu meinen gedruckten Heften kamen in den letzten Jahrzehnten etwa 2 bis 3 Rückmeldungen, und das insgesamt. Zu meinen Internetseiten kommen ebenfalls 2 oder mehr Rückmeldungen, aber pro Woche. Und diese Leute kann ich auch persönlich erreichen, kann auf ihre persönlichen Probleme eingehen, kann ihnen tatsächlich helfen.
Diese Rückmeldungen helfen mir sehr, meine Seiten zu ergänzen. Wonach wird gefragt? Was wird gesucht? Was muss ich daher einfügen? Was haben die Leute nicht verstanden? Was muss ich daher verständlicher formulieren? Die Anzahl meiner Seiten im Internet ist bereits unüberschaubar, aber ein großer Teil ist meine Reaktion auf Rückmeldungen oder Fragen per Mail.
Im Internet kann ich ergänzen, kann verbessern, jederzeit – im Gegensatz zu gedruckten Büchern. Sind die einmal gedruckt, kann ich mich über Fehler nur mehr ärgern. Und Fehler passieren jedem Menschen, auch mir.
Ich veranstalte seit Jahrzehnten einiges, auch Musikantenschulungen, dort kann ich als einzelner Referent etwa 6 Leute betreuen. Das ist sehr in Ordnung, dabei kann ich einiges weitergeben, was mir im Internet nicht so gut gelingt. Aber im Internet betreue ich in der Woche vielleicht 6 Leute, und das jede Woche.
Natürlich sind meine Seiten weltweit abrufbar, nicht nur bei uns in Niederösterreich. Es gibt noch immer Leute, die behaupten, weltweite Veröffentlichungen seien nicht gut, Volksmusik, Volkstanz sei regional und sollte auch regional bleiben – das kann ich verstehen, ich gehörte ja früher auch dazu. Aber inzwischen weiß ich, dass unsere Volksmusikstücke oder Tänze bis auf wenige Ausnahmen nie regional sind. Manche vielleicht persönlich geprägt, oder von einzelnen Musikanten oder Sängern nur im Umkreis verbreitet. Die uns überlieferten Tänze und Musikstücke sind aber zum überwiegenden Teil Gesellschaftstänze und Schlager aus der Zeit um 1900. Warum wohl sind Kreuzpolka und Siebenschritt, oder Landjägermarsch und Kupferschmiedpolka bis in den hintersten galizischen Winkel der alten Monarchie verbreitet? Und auch das habe ich übers Internet gelernt.
Ich meine damit, wenn man Leute erreichen möchte, sollte man natürlich Kurse veranstalten, Offenes Singen, Offenes Tanzen, Musikantenstammtisch, Feldforschung und so weiter. Das ist alles wichtig und notwendig. Aber man sollte zusätzlich die modernen Kommunikationsmittel nutzen. Damit erreicht man auch Leute, die nie zu einem Kurs gehen würden, die (noch) nichts mit Volksmusik am Hut haben.
Und wie erreicht man so viele Leute? Weit über 30 Millionen? Ganz einfach: mit Qualität, mit qualitätsvollen Beiträgen, die die Leute auch interessieren, nach denen die Leute tatsächlich fragen, und die sie auch tatsächlich verwenden können. Ich kann im Internet niemanden fangen, indem ich ihm ausschließlich aufs Aug drücke, wovon ich, ich persönlich, überzeugt bin, es sei wichtig und erhaltenswert. Meine Überzeugung ist da nicht so wichtig, ich muss das anbieten, was die Leute suchen, zumindest vordergründig. Wenn sie das gefunden haben, und zwar genau das, was sie auch wirklich gesucht haben, dann bleiben sie vielleicht auch etwas länger und schauen nach, was ich sonst noch alles anbiete. So funktioniert Wissensvermittlung im Internet.
Ich freue mich über Rückmeldungen, vor allem über Anregungen.
Franz Fuchs